Janitza hat sich als Unternehmen verpflichtet, bis 2030 klimaneutral zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Hersteller von Energiemanagement-Systemen mit seinen hauseigenen Lösungen alle internen energetischen Prozesse unter die Lupe genommen. So wurde Transparenz über die Energieverbräuche geschaffen und die CO2-Emittenten identifiziert. Patrick Steiß, Umwelt- und Energiemanager bei Janitza, erklärt im exklusiven Interview, welchen Weg zur Klimaneutralität das Unternehmen dabei nimmt und wie von dem daraus gewonnenen Wissen Kunden profitieren können.
Herr Steiß, Sie sind seit knapp zwei Jahren Umwelt- und Energiemanager bei Janitza. Warum haben Sie sich nach Ihrem Studium gerade für dieses Unternehmen entschieden?
Es gab mehrere Gründe: Zum einen bin ich sehr heimatverbunden und komme gebürtig aus dem Raum Gießen. Deshalb kannte ich Janitza in Lahnau vom Namen her und auch aus zahlreichen Online-Vorträgen. Dann durfte ich im Rahmen meines Studiums durch Praktika Einblicke in das Nachhaltigkeitsmanagement verschiedener Unternehmen gewinnen. Schnell habe ich gemerkt, dass das nur über professionelle Managementsysteme wirklich funktioniert. Im Bewerbungsgespräch bei Janitza war ich tief beeindruckt, wie hoch die Innovationsbereitschaft ist. Hier wird in die Mitarbeiter vor Ort und in die Produkte investiert. Janitza steht wirklich hinter all dem, was es nach außen kommuniziert. Nichts ist Fassade.
Seit Anfang 2022 bin ich an Bord und all meine Erwartungen haben sich bestätigt. Schon in der ersten Woche hat der Geschäftsführer die unternehmensweite Reduzierung von Kohlenstoffdioxid direkt an mich herangetragen, um uns nachhaltiger aufzustellen. Wir waren uns schnell einig, dass das Energiemanagement eine Teilaufgabe sein muss. Thematisch war das für mich ein Volltreffer! Deshalb bin ich überzeugt, in der für mich perfekten Firma gelandet zu sein.
Anlässlich des „Janitza Energy Day“ 2023 wurde Marc Elsberg, der Autor von „Blackout“, über Abhängigkeiten und Versorgungssicherheiten interviewt. Warum ist das Buch aus Ihrer Sicht auch heute noch so relevant?
Ich selber habe das Buch vor langem gelesen und war gefesselt. In meiner Mietwohnung hätte ich tatsächlich die gleichen Probleme wie der Protagonist gehabt. Seit ich mich mit Energiemanagement beschäftige, weiß ich, dass noch viel mehr dahintersteckt. Wir sind in Deutschland in ein europäisches Netz eingebunden. Die Toleranz für Fehler ist in diesem Stromnetz extrem gering. Es lauert die omnipräsente Gefahr, dass sich Probleme an anderer Stelle direkt auf uns auswirken. Im vergangenen Winter hat sich gezeigt, dass sich die Versorgungssicherheit nicht nur auf den Stromsektor bezieht. Durch die Verknappung von Erdgas aufgrund der geopolitischen Lage wurde über die Einteilung der Erdgasressourcen diskutiert. Hier wären wir als Unternehmen direkt betroffen gewesen. Deshalb haben wir schnell Maßnahmenpläne zur Kompensation unseres Erdgasverbrauchs für den Ernstfall erarbeitet.
Aktuell findet ein Übergang von fossilen auf erneuerbare Energieträger statt. Zwar erhöht sich der Anteil regenerativer Energien im Netz. Diese sind aber volatil, stehen also nicht permanent zur Verfügung. Zu Spitzenlastzeiten müssen Peaks abgefedert werden. Das funktioniert nur über Speicher für Wind- und Sonnenenergie. Die Kapazitäten sind noch nicht ausreichend vorhanden. Auch wenn die Dezentralisierung der Energieversorgung voranschreitet: Noch basiert Deutschland weitgehend auf einer zentralen Energieversorgung und bewegt sich damit in einer Abhängigkeit im europäischen Stromnetz. Die ganze Thematik aus „Blackout“ hat deshalb in all den Jahren nichts an Relevanz verloren. Das haben uns auch die bemerkenswerten Rückmeldungen vom „Janitza Energy Day“ gezeigt. Unternehmen wünschen sich in der Energieversorgung mehr Unabhängigkeit, mehr Resilienz gegenüber Schwankungen der globalen Lieferketten. Sie wollen ihre wirtschaftliche Handlungsfähigkeit aufrechterhalten, kurzfristige Schwankungen mit Maßnahmen ausgleichen können, um einen Totalausfall der Produktion zu verhindern. Auch Nachhaltigkeit spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle.
Der Klimawandel beschäftigt längst die Industrie. Welche Ziele verfolgt Ihr Unternehmen für die Reduzierung von CO2-Emissionen?
Wir haben uns als globale Gemeinschaft das Ziel gesetzt, die Erderwärmung auf unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Unser Unternehmen ist sich der Verpflichtung für dieses Ziel bewusst. 2021 hat unsere Geschäftsführung festgelegt, dass wir bis 2030 CO2-neutral werden wollen. Als ich 2022 bei Janitza anfing, durfte ich das Projekt übernehmen. Um effektive Maßnahmen ergreifen zu können, haben wir zunächst den Ist-Stand erfasst, um aus der Analyse der Daten Erkenntnisse zu gewinnen und die richtigen Maßnahmen abzuleiten.
Im ersten Schritt haben wir unsere Emissionen ermittelt. Die Bilanzierung erfolgt nach dem international anerkannten Greenhouse Gas Protokoll. Darunter fallen alle Emissionen , welche direkt und indirekt über den Lebenszyklus unserer Wertschöpfungskette emittiert werden. Emissionen, welche direkt vor Ort an unserem Standort verursacht werden, erfassen wir mit Hilfe unseres Energiemanagement-Systems und werten die Informationen mit unserer Software „GridVis“ aus. Dazu addieren sich die vorgelagerten Emissionen in den Lieferketten sowie die nachgelagerten Emissionen im Produktlebenszyklus und in der Entsorgung unserer Produkte. In der CO2-Bilanzierung haben wir bereits große Fortschritte erzielt und stehen kurz vor deren Abschluss. Es lässt sich genau bewerten, an welchen Stellen wir handeln sollten. Im Rahmen unserer Datenanalyse ist aufgefallen, dass die meisten Emissionen außerhalb unserer eigentlichen Tätigkeit entstehen. Das ist nicht verwunderlich, da bereits seit 2013 ein Monitoring-System für hohe Energieeffizienz sorgt. Wir bewegen uns in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess, monitoren, leiten daraus Handlungen ab, setzen Maßnahmen um und prüfen diese auf Wirksamkeit.
Welche Maßnahmen wurden denn aus den gewonnenen Erkenntnissen umgesetzt?
Der erste Schritt war die Ausstattung aller geeigneter Dachflächen am Standort in Lahnau mit Photovoltaik. Dann wurde mit dem Energieversorger ein neuer Vertrag abgeschlossen. Jetzt beziehen wir zu 100 Prozent Grünstrom aus Wasserkraft in Skandinavien. Per Zertifikat können wir nachweisen, dass die von uns abgenommene Menge auch tatsächlich in einer Wasserkraftanlage CO2-neutral hergestellt wird. Die Gebäude verfügen nach Sanierungen über Neubaustandards mit kompletter Gebäudehüllendämmung und Fenstern mit Dreifachverglasung. Durch ein intelligentes Beleuchtungskonzept mit Bewegungsmeldern, das gleichzeitig mit den Jalousien und Präsenzmeldern verknüpft ist, gibt es keine unnötige Beleuchtung. Die Lüftung ist automatisiert und wird bedarfsgerecht gesteuert. Die Wärmeversorgung erfolgt überwiegend über Wärmepumpen. Das alles führt in Summe dazu, dass wir den vorhandenen Energie- und Ressourcenverbrauch immer weiter senken.
Wie wird Janitza das Thema in der Zukunft weiter behandeln? Können Sie uns einen kleinen Ausblick geben?
Wir wollen sehr schnell weitere Maßnahmen aus der Bilanzierung ableiten, damit die Emissionen effektiv sinken. Der nächste Schritt ist die Elektrifizierung unseres Hauptstandorts, vor allem für die Wärmeversorgung. Auch der Fuhrpark ist ein wichtiger Punkt. Viele Kollegen haben sich für ein E-Fahrzeug entschieden, und wir bauen die Ladeinfrastruktur vor Ort weiter aus. Was immer wir auch unternehmen: Entscheidend ist, dass wir die in unserer DNA verankerte Energieeffizienz weiter aufgreifen und um das Thema CO2-Emissionen erweitern. Unser Ziel ist es, dieses Bewusstsein in allen Bereichen und Unternehmensentscheidungen zu verinnerlichen, um Ineffizienzen oder vermeidbare Verbräuche zu verhindern. Am Ende steht das Ziel für die Erreichung der Klimaneutralität, um so wenig wie möglich kompensieren zu müssen.Nach diesen internen Schritten folgen dann die Herausforderungen außerhalb unseres direkten Geschäftsfelds: Wir gehen diese mit Lieferanten und Logistikern für vor- und nachgelagerte Prozesse an, für gemeinsame Lösungen, um die CO2-Emissionsmenge zu reduzieren. Realistischerweise wird es vermutlich immer einen Teil in der Lieferkette geben, auf den man keinen Einfluss nehmen kann. Deshalb werden wir mit kompetenten Partnern Ausgleichsprojekte für den Klimaschutz auswählen, die zu unserer Firmenphilosophie passen. So soll die angesprochene Menge an kurzfristig nicht vermeidbaren Emissionen kompensiert werden: vorwiegend in Entwicklungsländern, in denen wir zertifizierte Projekte nach Goldstandard unterstützen. Auch hier werden wir ganz im Sinne unseres Energiemanagements auf die Wirksamkeit dieser Projekte achten. Beispielsweise befürworten wir Projekte zum Ausbau erneuerbarer Energien und Vorhaben zum Schutz und Erhalt von Ökosystemen. Beide Projektarten tragen zur Reduzierung der CO2-Emissionen bei.
Wie unterstützt Janitza Kunden dabei, in ihrer Produktion den CO2-Ausstoß signifikant zu reduzieren?
Alle Erkenntnisse für die oben beschriebenen Maßnahmen wurden mit unseren hauseigenen Lösungen gewonnen. Dieses Know-how können wir jetzt mit unseren Kunden teilen. Das betrifft sowohl unsere Hard- als auch Software. Unsere Messgeräte sammeln Daten für den reinen Energieverbrauch. Dazu gehört Energie in Form von Strom, aber auch Gas, Öl oder Benzin. Die Software im Hintergrund greift die Datenpakete auf und visualisiert sie. Sie zeigt, welche Prozesse Emissionen verursachen, wie man sie beeinflussen kann sowie den daraus erzielten Netto-Effekt. So erhalten Anwender einen Einblick, wie es um die Energieverteilung steht, an welcher Stelle etwas passiert und wo es Handlungsbedarf für Verbesserungen und mehr Effizienz gibt. Damit wird die Transparenz gesteigert.
Mit dem daraus gewonnenen „Carbon Code“ lassen sich valide Kennzahlen festlegen und Maßnahmen identifizieren. Der Anwender gewinnt mit dem Einsatz unserer Produkte eine energetische Bilanzierung seiner Emissionen, egal ob für einzelne Maschinen, Prozesse oder ganze Standorte, mit voller Transparenz.
Spielt auch die Spannungsqualität eine wichtige Rolle?
Ja unbedingt, denn auftretende Störungen können Produktionsanlagen und damit die wirtschaftliche Tätigkeit gefährden. Um die Spannungsqualität zu bewerten, setzen wir ebenfalls unsere Software „GridVis“ ein, welche dem Anwender den Zustand seines Netzes und aktuelle Störfaktoren zeigt. Unser Lastmanagement analysiert über Messgeräte, was vor Ort passiert. Regelmäßige Spitzen und ihre Verursacher werden visualisiert. Für die richtige Priorisierung lassen sich vermeidbare oder notwendige Verbräuche aufdecken. So kann man festlegen, in welcher Reihenfolge Maschinen oder Anlagen ein- und ausgeschaltet werden, um Spitzen aufzulösen. In Summe lassen sich so weitere Einspareffekte erzielen, die sich positiv auf Betriebskosten, Nachhaltigkeit und die Versorgungssicherheit auswirken, weil der Gesamtbedarf an Energie sinkt.
Mit diesem Komplettpaket aus Erfassung, Analyse und Auswertung können wir unsere Kunden unterstützen, dem Ziel der Energieeinsparung und CO2-Reduktion näherzukommen und voranzugehen. Das funktioniert nicht über „Produkte von der Stange“, sondern mit einer individuellen Software-Lösung für das jeweilige Unternehmen.
Welche neuen technischen Lösungen wird Janitza auf der SPS Messe 2023 vorstellen?
Auf der SPS in Nürnberg stellen wir die Klimaneutralität in den Fokus. Wir möchten gerne zeigen, was mithilfe unserer Software im Bereich des CO2-Monitorings möglich ist. Historisch gesehen kommen wir von der Erfassung der Energiedaten. Mit unserer Software lassen sich mittlerweile diese Energieverbräuche auch in CO2-Emissionen darstellen. Unternehmen erhalten so Transparenz für ihre Klimabilanz mit dem dazugehörigen Wissen, dass das System bei Janitza intern bereits erfolgreich in der Praxis erprobt wurde.
Zudem zeigen wir auf der SPS Low-Power-Geräte, die einen niedrigeren Ressourceneinsatz und eine erhöhte Sicherheit aufweisen. Zusammengefasst beweisen wir auf der Messe in Nürnberg, dass eine gute Transparenz die Grundlage für ein effektives Energiemanagement und damit für die Einsparung von Ressourcen zur Reduzierung der CO2-Emissionen bildet.
Zum Abschluss eine persönliche Frage: Wie setzen Sie sich als studierter Umweltmanager in Ihrem privaten Umfeld mit Klimaschutz auseinander?
Wenn man sich im Studium und im beruflichen Kontext mit Klimaschutz beschäftigt, ist es fast unmöglich, sich dem im privaten Umfeld zu entziehen. Denn dieses Thema hat per se zwei Seiten: Man sieht, wie verschiedene reichhaltige Ökosysteme in dieser Welt funktionieren. Auf der anderen Seite erfahren wir tagtäglich, dass dieser Schatz immer stärker zerstört wird. Das kann einen schnell frustrieren.
An dieser Stelle möchte ich gerne für ein ganz besonderes Vorgehen werben: Suffizienz, also Verzicht. Nicht immer mehr, sondern mit dem eigenen Ressourceneinsatz in den Grenzen einer ökologischen Verträglichkeit bleiben. Ich hinterfrage mich tatsächlich mehrfach am Tag, ob ich jetzt wirklich dieses Produkt oder diese Dienstleistung benötige. Denn was ich nicht konsumiere, hat netto gesehen den größten Effekt. Das kann zum Beispiel auch die Überlegung sein, ob ein funktionierendes Verbrenner-Auto gegen ein neues E-Fahrzeug eingetauscht werden soll. Denn nicht nur CO2-Emissionen haben einen Einfluss auf das Klima und unsere Ökosysteme, sondern auch der Ressourceneinsatz von Wasser und Rohstoffen wie Lithium, Metall, Kunststoff und Gummi - also eine gesamtheitliche ökologische Bewertung. Man sollte sich bei all seinen Entscheidungen bewusst machen, welche Konsequenzen durch das eigene Handeln entstehen und ob man bereit ist, diese auch zu tragen.
Ein anderes Beispiel ist die Überlegung, ob man wirklich so überdimensioniert wohnen muss, wie heute üblich, oder man sich auf weniger Platz beim Wohnen beschränkt. All die Klassiker wie Umstellung auf Ökostrom, Fahrrad statt Auto, wärmere Klamotten statt Heizung hochdrehen, Fernreisen und Fleischkonsum hinterfragen und so weiter - das sind Denkanstöße, an die ich gerne bei mir selbst, aber auch im privaten Umfeld appelliere.