
Touchpanels haben im industriellen Produktionsumfeld die Schalttafeln an der Maschine abgelöst. Über das Bedienkonzept dahinter sagt das jedoch nicht viel aus. Proprietäre Systeme verhindern immer noch eine durchgängige, unternehmensweite Vernetzung. Weidmüller hat dafür web-basierte Visualisierungslösung entwickelt, die herstellerunabhängig konzipiert wurden. Internet und IT- Geräte sind intelligent, vernetzt und per Display zu bedienen, und das nicht vor Ort, sondern auch per Fernzugriff im Produktionsumfeld. Maschinennahe Touchpanels sind zwar für kleinere Anwendungen durchaus noch gängig. Für komplexe Steuerungs- und Überwachungsaufgaben möchte der Anwender auf alle verfügbaren Interfaces zugreifen: den Desktop im Büro, und das Tablet oder Smartphone unterwegs. Diese Entwicklung stellt für Maschinenhersteller und Anlagenbauer eine erhebliche Herausforderung dar. Sie bietet aber auch Möglichkeiten, Mehrwert zu generieren und Absatzchancen zu erhöhen.
Gerade bei anspruchsvolleren Scada-Anwendungen sind mit dem dem Industrial Internet of Things viele Grenzen gefallen. Die Daten eines Sensors im Anlagenfeld finden in Echtzeit über Gateways Eingang in ein weltweit vernetztes ERP-System. Gleichzeitig werden mehr Funktionen zur Unterstützung der Verwaltung und der Organisation integriert, die mit der eigentlichen Visualisierung nichts mehr zu tun haben. Dazu gehören beispielsweise das Verwalten von Maschineneinstellungen und Rezepturen oder das Erfassen von qualitätsrelevanten Daten über integrierte Datenlogger. Darüber hinaus werden auch alle weiteren Aspekte der Maschine abgedeckt, wie das Führen von Auftragsprotokollen über Menge, Qualität, Charge etc. der eingesetzten Materialen oder die Verwaltung von Wartungsaufgaben.
Fertige Softwarelösung statt aufwendig eigenentwickelter Visualisierung
Statt mit viel Aufwand die Leistungsfähigkeit einer ausgereiften Maschine um wenige Prozente zu erhöhen, können Maschinenhersteller mit IIoT-Anwendungen signifikante Umsatzsteigerungen erzielen und die Kundenbindung stärken. Aber bis eine Bedienoberfläche marktreif ist, müssen sie etliche Mannjahre vorfinanzieren. Floppt das Konzept, ist die Investition verloren. Das Risiko lässt sich durch fertige Softwarelösungen verringern, wie sie von vielen Steuerungsherstellern angeboten werden. Allerdings sind diese meist proprietär gehalten. Die Alternative dazu sind lokale Cloudlösungen, die per se keine starren Einzelplatz-Anwendungen mehr sind. Sie basieren auf einer Client/Server-Architektur und werden auf einem HMI-Host installiert, auf den beliebige Clients, zum Beispiel Panel, IPC oder ein Embedded-Gerät per Browser zugreifen. Software-Installationen sind hierfür nicht nötig. Durch ein responsives oder adaptives Design lässt sich die Oberfläche automatisch an das Endgerät anpassen, vom kompakten Smartphone bis zum 60-Zoll-Monitor.
Nutzer wird in den Mittelpunkt gerückt
Hiermit ist auch ein kompletter Wechsel in der Bedienphilosophie, weg von der gerätespezifischen Darstellung hin zum User Centered Design möglich. Richtig programmiert steht nicht mehr die Maschine, sondern der Nutzer im Mittelpunkt. Durch das für Web-Anwendungen typische Rollen- und Rechtesystem bekommen Personenkreise wie Anlagenbediener, Produktionsleiter, Qualitätsmanager oder Instandhalter genau jene Informationen in der Form angezeigt, die ihren Aufgaben und der Beschaffenheit der Bediengeräte entsprechen. Auf Basis der beschriebenen Vorteile hat Weidmüller GTI Software das Software-Tool Procon-Web zur Visualisierung entwickelt, deren dynamische Benutzeroberflächen individuell parametrier- und konfigurierbar sind, ganz ohne Programmierkenntnisse. Die projektierbare Cloudanwendung ist mit einer HTML5-Benutzeroberfläche für alle Systeme im Adaptive Design ausgestattet. Dadurch entfallen auch Plug-Ins wie Flash, Java oder Silverlight. Ein wichtiges Argument für web-basierte HMI-Anwendungen ist die Kostenkontrolle bei der Entwicklung. Der vielzitierte Faktor „time to market“ wird so positiv beeinflusst. Eine Visualisierung lässt sich individuell programmieren, aber hierfür benötigt man viel Zeit und Spezialisten wie Web- und Systementwickler. Mit der Weidmüller Software ist die Umsetzung einer modernen und leistungsfähigen HMI mit weniger Know-how in kürzerer Zeit möglich. Typische Anwender sind Applikationsingenieure oder SPS-Programmierer, die keine Vorkenntnisse in Hochsprachen-Programmierung haben. Die Software unterstützt den Anwender mit dynamischen Benutzeroberflächen sowie Multitouch- und Gestensteuerung. So kann der Anwender mittels eines Engineering-Tools durch einfache Projektierung Benutzeroberflächen erstellen, die im Aussehen und in der Bedienung modernen Web-Anwendungen oder Apps gleichen. Man kann Seiteninhalte scrollen oder durch Wischen zwischen den verschiedenen Seiten wechseln. Farbwechsel oder das Verschieben von Elementen können mit weichen Übergängen versehen werden.
Rollenspezifische Anzeige von Daten und Übersichten
Besondere Anforderungen können durch eigene Erweiterungen oder Custom-Controls hinzugefügt werden. Der Front-End-User kann mit so einer konfigurierbaren Cockpit-Funktion die Daten erfassen, visualisieren und analysieren, die er für seine Aufgabe benötigt, beispielsweise Füllstände für den Einkäufer auf dem Desktop und Verschleißdaten für den Servicetechniker aufs Handy. Diese kann er sich beispielsweise als „Serviceliste“ darstellen lassen. So behält er den Überblick über die Dringlichkeit von Wartungs- und Reparaturaufgaben. Der Produktionsleiter wiederum bekommt alle Maschinendaten auf einem Dashboard zusammengeführt. So kann er erkennen, wie effizient die Maschinen produzieren, wie viele Teile qualitativ gut und wie viele Ausschuss waren. Es bestehen aber auch Erweiterungsmöglichkeiten für spezifische Anforderungen in einer Hochsprache wie Java Script, denn bei Highend-Kunden können selbst die vielfältigen Möglichkeiten, die die Software von Haus aus mitbringt, an ihre Grenzen stoßen. Durch offene Schnittstellen kann ein Webdesigner beispielsweise ein 3D-Modell einer Anlage einfügen oder die gesamte Oberfläche gemäß dem CI eines Unternehmens gestalten.
Standardisierte Schnittstellen ergänzen Gestaltungsmöglichkeiten
Die Gestaltungsmöglichkeiten der Bedienoberfläche werden durch zahlreiche proprietäre und standardisierte Kommunikationsschnittstellen ergänzt. So lässt sich die Software als OPC-UA-Client und -Server gleichermaßen einsetzen. Genauso ist die Kopplung zu beliebigen Steuerungen und zu übergeordneten MES- und ERP-Systemen möglich. Erwähnenswert ist auch, dass die Software an sich als embedded System auch auf weniger leistungsfähigen Endgeräten mit Linux nativ oder mit Docker betrieben werden kann. Letzteres ist eine freie Software für die containerbasierte Virtualisierung. Das heißt, dass alle benötigten Pakete vom Code bis zu Systembibliotheken getrennt von den anderen Ressourcen eines Rechners installiert sind. All diese Eigenschaften machen die Software zu einer hoch flexiblen und zukunftsorientierten Lösung.