Reklamationsmanagement über MES in der Fertigung

Damit Abweichungen standardisiert ablaufen

Reklamationsmanagement mit dem MES Hydra X

Im Alltag sind Reklamationen meist negativ besetzt und werden oft mit Beschwerden in Verbindung gebracht. Im Fertigungsumfeld hingegen kann ein solide aufgesetztes Reklamationsmanagement für eine kontinuierliche Verbesserung sorgen. Voraussetzungen dafür sind der konstruktive Umgang mit Reklamationen sowie standardisierte Abläufe. Wenn im Fertigungsprozess Teile aus der Vorfertigung kommen, die im nächsten Arbeitsschritt zu einem Werkstück montiert werden, muss deren Qualität inklusive der richtigen Maße und Passform stimmen. Gibt es Beanstandungen in der Abschlussprüfung, wird das zu beanstandende Material entweder als Ausschuss deklariert und landet im Abfallcontainer. Oder es wird eine Reklamation eröffnet und genau dokumentiert, was mit dem Material nicht stimmt. Der erste Fall verursacht zwar weniger Arbeit, aber dafür unnötige Kosten. Wie im zweiten Fall beschrieben, lohnt es sich langfristig für Unternehmen dafür zu sorgen, dass die aufgetretene Abweichung abgestellt wird und im Idealfall nicht noch einmal auftritt.

Um eine Abweichung zu dokumentieren, sollte ein passendes Werkzeug eingesetzt werden, zum Beispiel die Fertigungs-IT oder ganz konkret ein Manufacturing Execution System (MES). In vielen Systemen dieser Art werden neben den allgemeinen Fertigungsdaten aus dem Shopfloor bereits Qualitätsdaten erfasst. Somit ist der Weg zum konsequenten Reklamationsmanagement geebnet.

MES verknüpft Prüfer, Produkt und Fehler

Sobald eine Abweichung erkannt wird, eröffnet der betreffende Mitarbeitende eine Reklamation im Sinne der Fertigungs-IT. Diese besteht aus unterschiedlichen Informationsebenen, die hierarchisch gegliedert sind. Das kann am Shopfloor Terminal direkt neben der Maschine oder an jedem anderen Computer erfolgen.

Typischerweise sieht eine Reklamation wie folgt aus:

  • Auf oberster Ebene findet man zunächst allgemeine Daten wie das Datum und die Art der Reklamation. Hier unterscheidet man im Wesentlichen, ob es sich um eine interne Reklamation handelt oder ob die Reklamation vom Kunden kommt bzw. an einen Lieferanten geht.
  • Für jedes betroffene Teil wird eine neue Unterebene innerhalb der Reklamation angelegt. Hier geht es zum Beispiel um die Seriennummer des Teils oder eine andere Information, die dieses Teil bzw. Material identifiziert.
  • Auf der untersten Ebene können jedem Teil mehrere Fehler bzw. Abweichungen zugeordnet werden. Spezifische Informationen beschreiben den gefundenen Fehler sowie mögliche Gründe für die Abweichung.

In einer Reklamation können beliebig viele Teile mit jeweils beliebig vielen Abweichungen zusammengefasst werden. Das ist immer dann sinnvoll, wenn die gefundenen Abweichungen in einem näheren Zusammenhang stehen. Idealerweise können wichtige Basisdaten automatisch aus dem laufenden Prozess übernommen werden. Dazu gehören neben dem erkannten Fehler selbst und dem betroffenen Prüfmerkmal zum Beispiel die Personalnummer und der Name des Mitarbeitenden, der Arbeitsplatz, an dem die Abweichung erkannt wurde, das Material bzw. die Artikelnummer gegebenenfalls mit Chargenbezug sowie der aktuelle Auftrag und Arbeitsgang. Auch eingesetzte Werkzeuge können anhand der digitalen Informationen mit dokumentiert werden. Richtig eingesetzt kommt man so mit wenigen Klicks von der festgestellten Abweichung zu einer standardisierten Reklamation. Anschließend sorgt ein vorgegebener Ablauf dafür, dass die Reklamation standardisiert abgewickelt wird. Hierfür eignet sich ein integriertes Workflowmanagement, das sicherstellt, dass kein Schritt übersprungen wird und alle zuständigen Mitarbeitenden informiert werden. Je besser das Reklamationsmanagement mittels des Workflow organisiert ist, desto einfacher haben es die Mitarbeitenden, die es nutzen.

Auch in der Abteilung, die eine Reklamation erhält, sind vordefinierte Abläufe von großem Nutzen. Zum Beispiel wird das reklamierte Material zunächst noch einmal betrachtet, um den gemeldeten Fehler nachzuvollziehen. Im Rahmen der Fehleranalyse wird für jede Abweichung geprüft, ob der Fehler auch bei anderen Materialien oder bei anderen Farben des gleichen Materials auftritt. Sobald das Ausmaß der Abweichung festgestellt und dokumentiert ist, geht es daran, den Fehler abzustellen und Maßnahmen zu definieren, damit der Fehler nicht erneut auftritt. Diese Maßnahmen werden ebenfalls im Reklamationsmanagement dokumentiert und nachverfolgt. Abschließend wird der Ersteller der Reklamation über den Stand der Dinge informiert. So entsteht ein Regelkreis, der sukzessive zu einer besseren Qualität führt.

Je nach Anwendungsfall lohnt es sich, im Reklamationsmanagement nicht nur auf geschriebenen Text zu setzen, sondern auch bildgebende Verfahren zu nutzen. Zum Beispiel kann die Kamera eines Tablets oder Smartphones ganz einfach angesteuert und integriert werden. Auch eingescannte Dokumente lassen sich einer Reklamation zuordnen, um den Gesamtzusammenhang besser abzubilden. Wie in den meisten Anwendungsfeldern gilt: Je mehr relevante Informationen genutzt werden, desto besser ist das Ergebnis. Auf das Reklamationsmanagement übertragen würde das bedeuten, dass eine ausführlich dokumentierte Abweichung besser abgestellt und zukünftig vermieden werden kann.

Losgelöst von einer einzelnen Reklamation sorgen Analysewerkzeuge für mehr Transparenz. Dadurch lassen sich weitere Verbesserungspotenziale umsetzen, insbesondere dann, wenn sich Reklamationen zu bestimmten Materialien oder an bestimmten Arbeitsplätzen häufen. Eine gemeinsame Datenbasis ist dabei enorm hilfreich, da die gewonnenen Erkenntnisse unmittelbar in der Fertigung genutzt werden können, um zukünftig effizienter zu produzieren, Abweichungen frühzeitig zu erkennen und Ausschuss konsequent zu vermeiden. Werden im Laufe des Reklamationsprozesses auch anfallende Kosten erfasst, so können diese ebenfalls analysiert werden, um den Reklamationsprozess selbst kontinuierlich zu verbessern.

Mehr Transparenz und Effizienz

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass ein konsequentes und digitales Reklamationsmanagement für mehr Transparenz in der Fertigung sorgt. In Folge sinken die Aufwände und Kosten für Nacharbeit und Ausschuss. Letztendlich können Fertigungsunternehmen dabei bares Geld sparen. Zudem wird die Zusammenarbeit unterschiedlicher Bereiche innerhalb der Fertigung professioneller und konstruktiver. Setzt man das Reklamationsmanagement nicht nur unternehmensintern ein, sondern auch zusammen mit Kunden und Lieferanten, so steigt das Optimierungspotenzial nochmals signifikant an. Ganz nach dem Motto: Fehler passieren, aber wer aus Fehlern lernt, der kann nur gewinnen.

Autor: Markus Diesner
 

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