Mit drei digitalen Zwillingen zu einer virtuellen Factory

Rittal auf dem Automatisierungstreff 2023

Digitaler Zwilling

Beim Thema Digitalisierung fällt schnell der Begriff des digitalen Zwillings, um Fabriken virtuell abzubilden, Daten zu generieren und Prozesse zu verbessern. Die Unternehmen der Friedhelm Loh Group Rittal, Eplan, Cideon und German Edge Cloud gehen einen Schritt weiter. Sie haben das Modell dreier digitaler Zwillinge initiiert. In diesem wird zunächst ein Zwilling für das Produkt, die Anlage und die Fertigung separat betrachtet, um anschließend in einen Gesamtprozess zu fließen. Damit verfolgen sie das große Ziel, Datensilos aufzubrechen, um über Schnittstellen die Daten und Informationen durchlässig zu machen. Vom Engineering der Anlagen über die Produkt-Konfiguration bis zum Fertigungsprozess und Service werden Daten ausgetauscht. Dafür benötigen Unternehmen Datenplattformen und die richtigen Schnittstellen. Auf dem Automatisierungstreff in Heilbronn stellt die Unternehmensgruppe am 29. März 2023 das Thema in einem Workshop „Mit den drei digitalen Zwillingen zu einer virtuellen Factory“ vor.

Gerhard Wulff, Principal Solution Manager bei Cideon, erklärt die Idee: „Digitalisierung, Vernetzung, Industrie 4.0, alle reden darüber, aber häufig ist es nicht konkret. Aus unserer Sicht reicht ein digitaler Zwilling nicht aus, um die Smart Factory „durchzudigitalisieren“. Mit unseren Produkt-, Anlagen- und Fertigungszwillingen geben wir Kunden einen Baukasten in die Hand, mit dem sie Digitalisierung in einen konkreten Nutzen umwandeln. Wir möchten auch Mittelständlern die Angst nehmen, dass ein solches Projekt nur mit unfassbar hohem Aufwand, zahlreichen Fachkräften und endlosen Meetings zu bewältigen ist. Durch unser Knowhow in den jeweiligen Tochterunternehmen haben wir einen ganzheitlichen Blick auf die Smart Factory geschaffen. So profitiert der Kunde von unserem geballten Fachwissen, erhält Datenplattformen und Schnittstellen zu nachgelagerten Prozessen für einen durchgängigen Datenbestand, alles aus einer Hand.“

Im Workshop "Mit drei digitalen Zwillingen zu einer virtuellen Factory" lernen Teilnehmer die ganzheitliche Betrachtung der Smart Factory kennen

Produkt-, Anlagen- und Fertigungszwilling für die Smart Factory

Die Digitalisierung der virtuellen Fabrik startet mit dem Produktzwilling, der den Produktentwicklungsprozess abbildet. Cideon bringt sein Domänenwissen in der mechanischen Konstruktion ein. Hier fließen CAD und Produktdatenmanagement (kurz PDM) zusammen. Es werden Schnittstellen von den PDM- zu den ERP-Systemen angelegt und weiterführend die Prozesse des Produktlebenszyklusmanagements (kurz PML) angebunden. Zusammengefasst hilft der erste Zwilling, Produkte zu entwickeln und zu konstruieren. Im nächsten Schritt werden die Daten über das neue Produkt über PDM, ERP und PLM zum Anlagenzwilling weitergeleitet. Rittal und Eplan zeigen mit ihrem Experten-Knowhow, wie aus dem mechanischen Produkt eine komplett digitale Anlage entsteht. Hinzu kommen Steuerungstechnik sowie Schaltschrank- und Automatisierungstechnologie. So wird das Ganze zu einem komplett simulier- und berechenbaren Anlagenzwilling erweitert. Im Eplan Data Portal werden Komponenten für die Automatisierungstechnik in einem standardisierten Format bereitgestellt. In Schritt drei geht das Ganze weiter in die Fertigung. Die Anlage, die das Produkt produziert, wird virtuell in Betrieb genommen. Im Fertigungszwilling werden diese Prozesse durchgängig dargestellt, die Produktion simuliert und Auswertungssysteme in der Fertigung verknüpft. German Edge Cloud (kurz GEC) bringt sein Fachwissen ein, wie der Kunde seine Fabrik optimal aufstellt. Matthias Jahn, Senior Sales Manager bei GEC, fasst zusammen: „Aus den drei Zwillingen ergibt sich das ganzheitliche Bild. Deshalb haben wir den Workshop auch in die drei Abschnitte der jeweiligen Zwillinge untergliedert. Wir sind Spezialisten in diesen drei Bereichen und wissen, wie wir alle Daten und Informationen durch die Bereiche mappen.“

Maschinen ohne Programmierkenntnisse einbinden

Damit die Workshop-Teilnehmer aktiv erleben können, wie einfach sich das System in der Praxis anwenden lässt, können sie eigenständig über einen Integration Service Maschinen und das ERP anbinden. Statt die Verbindung in so genanntem High-Code herzustellen, der einen hohen Programmieraufwand und speziell geschulte Programmierer voraussetzt, baut GEC auf den No-Code-/ Low-Code-Ansatz. So wird der Prozess einfach über Drag&Drop zusammengestellt und einzelne Elemente untereinander verlinkt. Auf diese Weise schaffen auch Nicht-Programmierer eine funktionale Schnittstelle, um Maschinen beispielsweise über OPC/UA anzubinden. Im zweiten Teil werden die Daten, die von Anlagenzwilling und Produktzwilling kommen, in der Virtual Factory in 3D visualisiert. Mit der zuvor erstellten Verlinkung wird eine Maschine aus einer Live-Umgebung eingebunden, um direkt Leben in der virtuellen Fabrik zu haben.

Cloudlösung statt Zettelwirtschaft für mehr Nachhaltigkeit

Matthias Schüler von Rittal, ergänzt einen wichtigen Punkt: „Mit der digitalen Schaltplantasche Rittal „ePocket“ bekommen auch die Unterlagen und Ordner ein digitales Zuhause. Statt auf Papier ist die Maschinen- und Anlagendokumentation digital auf allen Geräten verfügbar. Das ist nicht nur praktisch, sondern ein wichtiger Beitrag für die Nachhaltigkeit. Es wird kein Papier mehr benötigt. Schaltpläne oder Informationen werden direkt am Schaltschrank über die Cloud bereitgestellt. Hier zeigen wir den Teilnehmern, wie sie über eindeutige QR-Codes solch eine „ePocket“ selbst anlegen und merken, wie einfach das ist.“ Der Workshop adressiert an Spezialisten und Management aus den Bereichen Entwicklung, Konstruktion, Fertigung und IT, für die das Fachthema im Fokus steht. Aber auch Interessierte, die ihren Horizont erweitern möchten, lernen, worauf es in angrenzenden Bereichen ankommt.

Digitalisierung greifbar machen

Gerhard Wulff fasst zusammen. „Wir wollen mit dem Workshop den digitalen Zwilling begreifbarer machen. Dafür ergänzen wir vorhandene Daten mit der vernetzten Fertigung. So erhält der Kunde über die drei digitalen Zwillinge mehr Transparenz seiner Prozesse und erkennt die Zusammenhänge, wie diese ineinanderfließen und vor- sowie nachgelagerte Prozessschritte beeinflussen. Optimierungspotentiale werden sichtbar gemacht. Der große Pluspunkt: für den gesamten Prozess von mechanischer über die Elektrokonstruktion zur Fertigungstechnik und die Vernetzung erhält der Kunde das Wissen aus vier Kompetenzzentren aus einer Hand. Denn in der Digitalisierung bedarf es durchgängiger Datenflüsse, kontinuierlicher Informationen, eine Single-Source of Truth, um die vollständigen Daten von Anfang bis Ende nutzen zu können. Als Unternehmensgruppe erarbeiten wir gemeinsam dafür benötigte Schnittstellen und Technologien. Die ganzheitliche Betrachtung macht es für den Kunden einfacher. Das große Ziel unseres Workshops ist das Verständnis der Teilnehmer, was Digitalisierung wirklich bedeutet.“