
Der Frühling naht und mit ihm die immer wiederkehrenden Diskussionen über negative Preise an der Strombörse an sonnigen und windreichen Tagen. An Ostern und Pfingsten sind sie schon fast zur Normalität geworden. Die Niedrigpreis-Saison dauert von April bis August. Die Zeiten mit negativen Strompreisen haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Im Jahr 2023 lag der Strompreis am Day-Ahead-Markt in 301 Stunden bei null oder darunter. Im Jahr 2024 waren es bereits 459 Stunden. Was das für das sich immer schneller wandelnde Energiesystem bedeutet, wird ein zentrales Thema sein, wenn sich die Branche vom 07. bis 09. Mai 2025 auf der EM-Power Europe trifft. Die internationale Fachmesse für Energiemanagement und vernetzte Energielösungen findet im Rahmen von „The smarter E Europe", Europas größtem Messeverbund für die Energiewirtschaft, parallel zu den drei Fachmessen Intersolar Europe, „ees Europe" und „Power2Drive Europe" statt.
Vorweg ist festzuhalten: Negative Strompreise sind keine Katastrophe. Sie zeigen vielmehr, dass der Strommarkt funktioniert. Denn das Angebot an klimaneutral erzeugtem Strom aus erneuerbaren Quellen übersteigt die momentane Nachfrage. Das ist Signal und Anreiz zugleich, die Stromentnahme aus dem Netz in diese Zeiten zu verlagern. Gleichzeitig signalisieren sie aber auch eine asymmetrische Entwicklung der letzten Jahre. Der Ausbau der Solarstromerzeugung ist rasant vorangeschritten. Gleichzeitig verlief die Entwicklung bei flexiblen Verbrauchern und Speichern vergleichsweise schleppend. Diese Diskrepanz darf kein Dauerzustand werden. Angebot und Nachfrage müssen wieder in Einklang gebracht werden.
Speicher sind ein Teil der Lösung
Ein naheliegender Gedanke ist, Strom in Zeiten niedriger oder gar negativer Preise zu kaufen und zu speichern. So kann er zu einem späteren Zeitpunkt mit hoher Nachfrage und entsprechenden Börsenpreisen wieder in die Netze eingespeist werden. Die dafür notwendigen Speicherkapazitäten werden weltweit stark ausgebaut. Derzeit sind in Deutschland Großspeicher mit einer Gesamtleistung von rund 2,5 Gigawatt in Planung, wie aus dem Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur hervorgeht. Die Anschlussanfragen bei den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern liegen um ein Vielfaches höher.
Nach einer Umfrage des PV Magazins lagen zum Jahreswechsel 650 Anschlussanfragen mit einer Gesamtleistung von 226 Gigawatt vor. Wie viele der beantragten Projekte später realisiert werden, ist nicht bekannt. Doch Thomas Dederichs, Leiter Strategie und Energiepolitik beim Übertragungsnetzbetreiber Amprion, spricht bereits von einem „Tsunami von Anschlussbegehren“.
Flexibilität auf Seiten der Verbraucher nutzen
Mindestens genauso wichtig wie der Zubau von Speichern ist das Flexibilisierungspotenzial. Das gilt sowohl für Verbraucher als auch für die Steuerung von Prozessen in Industrie und Gewerbe. Private Haushalte haben in Summe ein erhebliches Potenzial, am Strommarkt aktiv zu sein. Durch den Betrieb von privaten Solaranlagen sind viele von ihnen ohnehin schon von reinen Verbrauchern mit weitgehend starrem Lastprofil zu Prosumern geworden. Zu steuerbaren Schwärmen zusammengefasst, könnten viele Wallboxen, Batterien und Wärmepumpen zu echten Akteuren auf dem Strommarkt werden. Marktakteure wie die Firmen sonnen oder Lichtblick haben bereits entsprechende Geschäftsmodelle entwickelt.
Flexibilisierungspotenzial auch in Industrie und Gewerbe
Mindestens genauso wichtig ist das Potenzial in Industrie und Gewerbe, auch wenn es schwerer zu greifen ist. Welche Prozesse sich wirklich flexibilisieren lassen, in welchem Maße und unter welchen Voraussetzungen, ist von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Dies bedarf einer individuellen Planung. Ob und wann man beispielsweise Lasten steigern oder reduzieren soll und wie lang die Vorlaufzeit ist, ist sehr unterschiedlich. Es kann aber erhebliche Auswirkungen haben. Für Deutschland kommt das Kopernikus-Projekt „SynErgie“ zu dem Schluss, dass Industriebetriebe ihre Last auf Abruf für 15 Minuten um bis zu 3,3 Gigawatt senken könnten. Steigern ließe sich die abgenommene Leistung über diesen Zeitraum um 1,5 Gigawatt.
Stromerzeugungskosten in Europa um 4,6 Milliarden Euro senken
Welche Auswirkung die Flexibilisierung aller Markteilnehmer hat, hat der europäische Branchenverband „smartEn“ berechnet: Eine umfassende Integration aller technischen Flexibilitäten in den Markt könnte demnach die Stromerzeugungskosten in Europa um 4,6 Milliarden Euro senken und zugleich die Abregelung erneuerbarer Energien um 61 Prozent reduzieren. Michael Villa, Executive Director von „smartEn“, erklärt: „Die Aktivierung der flexiblen Nachfrage ist eine strategische Priorität, um den Zugang aller Verbraucher zu erschwinglichen Energiepreisen und insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit der Industrien in Europa zu verbessern. Wir können uns nicht auf geopolitische Dynamiken verlassen, um die Energiepreise zu senken. Eine flexible Nachfrage kann dieses Ziel kurzfristig erreichen und gleichzeitig den Teilnehmern an Flexibilitätsprogrammen zusätzliche Vergütungen bieten.“
EM-Power Europe zeigt den Weg zu integrierten Energielösungen und stabile Strometzen
Einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand von Technologien und Lösungen für die erforderliche umfassende Schaffung und Bereitstellung von Flexibilitäten bietet die EM-Power Europe. Innovatoren, Entscheider und Praktiker treffen sich in München, um Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodelle für integrierte Energielösungen und stabile Strometze vorzustellen und gemeinsam künftige Trends und Dynamiken zu diskutieren.
Zu deren vier Teilmessen der „The smarter E Europe“ erwarten die Veranstalter über 3.000 Aussteller und mehr als 110.000 Besucher auf insgesamt 206.000 Quadratmetern in den 19 Hallen und dem Außengelände des vollständig belegten Messegeländes in München. Das Thema Flexibilisierung wird auch in Veranstaltungen und Sessions der EM-Power Europe Conference und dem The smarter E Forum Raum und Gewicht haben.
Fachmesse für Energiemanagement und vernetzte Energielösungen
Die EM-Power Europe ist die internationale Fachmesse für Energiemanagement und vernetzte Energielösungen. Unter dem Motto „Empowering Grids and Prosumers“ bringt sie Netzbetreiber, Energieversorger und Stadtwerke, Projektentwickler, Installateure sowie Energieberater, -manager und -dienstleister zusammen. Dabei stellt sie die aktuellen Trends und Entwicklungen für ein ganzheitliches, erneuerbares Energiesystem in den Fokus, von der Modernisierung, Digitalisierung und Flexibilisierung des Stromnetzes hin zum Smart Grid bis zur Integration von Prosumern, E-Mobilität und Power-to-Heat.