Elektro- und Digitalindustrie erzielt 2022 rund vier Prozent Produktionsplus

Neues Strommarktdesign für Ausbau von grünen Technologien erforderlich

2022 knapp vier Prozent Produktionsplus, 2023 Konsolidierung auf höchstem Niveau erwartet

„Auch im Jahr der Zeitenwende hat sich die deutsche Elektro- und Digitalindustrie stark gezeigt“, betonte Dr. Gunther Kegel, ZVEI-Präsident, anlässlich der Auftakt-Pressekonferenz des Verbands. „Ukrainekrieg, Energiekrise, Inflation und weiterhin angespannte Lieferketten: Die preisbereinigte Produktion der Branche ist dennoch zwischen Januar und November um 3,7 Prozent gewachsen, fast eine Punktlandung für unsere Prognose von vier Prozent. Diese robuste Entwicklung unterstreicht die Stärke der Elektro- und Digitalindustrie. Unsere Branche profitiert erkennbar von den beiden großen Treibern Elektrifizierung und Digitalisierung, die aufs Engste mit uns verbunden sind.“

Die nominalen Erlöse stiegen im vergangenen Jahr um zwölf Prozent auf ein Rekordhoch von 224 Milliarden Euro. Die höchsten Zuwächse gab es mit 21 Prozent bei elektronischen Bauelementen. Die Bereiche Informations- und Kommunikationstechnik, Batterien, Energietechnik legten jeweils um 14 Prozent zu. Die Automation verzeichnete ein Plus von zwölf Prozent. Kegel betonte, dass die deutsche Elektro- und Digitalindustrie deutlich schneller durch die Krise gekommen sei und vor allem von den Megatrends Elektrifizierung und Digitalisierung profitiert habe. Die Umsatzsteigerungen beruhten zum einen auf deutlichen Preissteigerungen. Auf der anderen Seite begünstigten Kapazitätserweiterungen durch neue Fabriken in Deutschland den Anstieg.

Auch der Export verzeichnete 2022 abermals ein Rekordjahr. Die deutschen Elektroausfuhren erreichten hier inklusive Re-Exporte einen Wert von 246 Milliarden Euro, ein Plus von neun Prozent. Wichtigster Absatzmarkt war die Europäische Union mit Elektrolieferungen in Höhe von 126 Milliarden Euro. „Der Binnenmarkt ist das größte Asset der EU. Wir müssen ihn weiterentwickeln, unternehmerisch und regulatorisch“, so Kegel.

Elektro- und Digitalindustrie erwartet 2023 kein Wachstum

Für das laufende Jahr zeigt sich der Verband zuversichtlich: „Stand heute gehen wir bei der realen Produktion von einer schwarzen Null aus, was einer Konsolidierung auf sehr hohem Niveau entspricht“, sagte der ZVEI-Präsident. Nominal erwarte er ein Wachstum von sechs bis sieben Prozent. Eine aktuelle Prognose für 2023 wird der Verband auf der Hannover Messe abgeben.

Energiewende in den Fokus rücken

„Nachdem sich die Politik im zurückliegenden Jahr vor allem den Herausforderungen Energiesicherheit und Bezahlbarkeit zuwenden musste, muss in diesem Jahr die Gestaltung der Energiewende wieder mehr in den Fokus rücken“, erklärt Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung. Aus Sicht des ZVEI sind im Wesentlichen zwei Aufgaben anzugehen: Erstens, der zügige Ausbau der Netzinfrastruktur und zugleich ihre Digitalisierung sowie zweitens die Weiterentwicklung des Strommarktdesigns.

Stromnetz zurzeit nicht energiewendefähig

Strom ist der Rohstoff der Energiewende, der über 90 Prozent des Energiebedarfs im Jahr 2045 decken soll. Aktuell liegt der Strombedarf bei 550 Terawattstunden pro Jahr. Durch die Elektrifizierung, unter anderem durch rund 15 Millionen Ladepunkte und sechs Millionen Wärmepumpen, steigert sich der Strombedarf bis 2030 auf über 700 Terawattstunden pro Jahr. Bis zum Jahr 2045 liegt der Strombedarf bei 1.000 bis 1.200 Terawattstunden pro Jahr. Um diesen Bedarf zu decken, werden sich die Erzeugungskapazitäten bei den erneuerbaren Energien mindestens um das 4,5-Fache steigern müssen. Damit steigen die Anforderungen an das Stromnetz immens. „Um es klar zu sagen: Darauf ist unser Stromnetz derzeit nicht ausgelegt. Es ist nicht energiewendefähig“, so Weber. „Aber: Ohne starkes Stromnetz wird es keine Klimaneutralität geben. Das künftige Stromnetz muss zu einem Klimaneutralitätsnetz umgebaut werden.“ So fordert der ZVEI, dass neben dem physischen Ausbau Intelligenz ins System kommt. Unter anderem müsse mehr Tempo in den flächendeckenden Rollout intelligenter Messsysteme kommen, wie im Dezember 2022 neu veröffentlichten Entwurf des „Gesetzes zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende“ (kurz GNDEW) vorgesehen.

Denn durch konsequente Elektrifizierung und Digitalisierung ließe sich der Primärenergieverbrauch um bis zu 65 Prozent reduzieren. Durch eine dezentrale Energieerzeugung mit Speicherung, Verteilung im Quartier mit digitalen Netzanschlüssen, Sektorenkopplung mit Photovoltaik, Wärmepumpe und E-Mobilität und nicht zuletzt durch die außerordentlichen Effizienzgewinne der direkten Stromnutzung sind die gesetzten Klimaziele zu erreichen. Um diesen näherzukommen, ist jedoch ein grundsätzlich anderes Strommarktdesign nötig.