VDMA: Lieferketten auch in Schwellenländern extrem angespannt

Entwicklungen im chinesischen Immobiliensektor dämpfen Wachstum für baunahe Maschinen- und Anlagenbauer

Mangel an Vormaterialien länderübergreifend größtes Hemmnis für Geschäftsaktivitäten

Der Mangel an Rohstoffen und Vorprodukten ist für viele Maschinenbauunternehmen auch in den wichtigen Auslandsmärkten Brasilien, Russland, Indien und China (BRIC) mittlerweile das größte Hemmnis für ihre Geschäftsaktivitäten. Neben fehlenden Vorleistungen erschweren längere Lieferzeiten und Probleme in der Logistikkette den Produktionsablauf. Im Frühjahr waren es länderübergreifend Corona-Restriktionen, die das Geschäft am stärksten beeinträchtigten. Nichtdestotrotz bewertet die überwiegende Mehrheit der VDMA-Mitglieder in den BRIC-Staaten die Geschäftslage als positiv und erwartet in allen Ländern für das Gesamtjahr 2021 ein zweistelliges Umsatzplus - wenn auch auf teils schwacher Vorjahresbasis. Doch ohne angebotsseitige Störungen wäre zweifelsfrei ein höheres Wachstum möglich.

Keine großen Impulse in China erwartet

In China haben sich die Wachstumsraten im Maschinenbau im dritten Quartal 2021 wieder auf ihrem prozentual einstelligen Vor-Corona-Kurs eingependelt. Und auch kurzfristig erwarten die befragten Tochterunternehmen in China keine großen Wachstumsimpulse: Knapp die Hälfte (49 Prozent) geht davon aus, dass die Auftragseingänge in den nächsten drei Monaten stagnieren, fast jeder Fünfte (18 Prozent) erwartet sogar Rückgänge der Bestellungen. Bei einer Betrachtung der Geschäftslage nach Teilbranchen zeigt sich folgendes Bild: Die Unternehmen aus der Baumaschinenbranche und der Fluidtechnik bewerten die Situation deutlich schlechter als der Maschinenbaudurchschnitt. Hersteller von Maschinen für die Prozessindustrie und Automatisierungstechnik bewerten die Lage hingegen deutlich positiver.

„Die Lage im chinesischen Immobiliensektor ist deutlich angespannt. Die Baubeginne von Wohnungen waren im dritten Quartal um circa 17 Prozent abgesackt. Das trifft die Hersteller von Baumaschinen und deren Zulieferer wie die Fluidtechnik spürbar“, erläutert VDMA-Chefvolkswirt Dr. Ralph Wiechers. „Auf der anderen Seite investieren Unternehmen in China aus der Prozessindustrie wie die Chemie und Petrochemie, Pharmazie sowie Gasverarbeitung kräftig. Davon profitieren Hersteller von Industriearmaturen, Verfahrenstechnik und Pumpen“, sagt Wiechers. Allen gemein sind der Mangel an Vorprodukten und Corona-Restriktionen. Hinzu kommen teilweise unvorhersehbare Stromabschaltungen in der Industrie, die den Unternehmen vor Ort Schwierigkeiten bereiten. Immerhin 29 Prozent der Unternehmen mit Behinderungen im Geschäftsablauf melden, dass dies ein hemmender Faktor sei.

Arbeitsvisum wird in Russland zum großen Hemmnis

Die VDMA-Mitgliedsunternehmen in Russland bewerten ihre Geschäftssituation weiterhin deutlich positiv. Ein Drittel der befragten Maschinenbauunternehmen vor Ort erwarten in den nächsten drei Monaten steigende Auftragseingänge, lediglich 6 Prozent rechnen mit sinkenden Auftragseingängen. Bei den Hemmnissen haben sich Corona-Restriktionen nach vorn geschoben, dicht gefolgt vom Mangel an Rohstoffen und Vorprodukten, „Local-content“-Vorgaben und Auftragsmangel. Große Probleme bereitet weiterhin das in Russland verpflichtend vorgeschriebene Arbeitsvisum für Monteure, das beachtliche 54 Prozent der Befragten als Erschwernis für ihre Geschäftsaktivitäten bewerten.

Große Zuversicht in Indien

Die vom VDMA befragten Tochterunternehmen in Indien sind für die nächsten Monate in besonderer Weise positiv gestimmt. bei den Umfragewerten für die Kapazitätsauslastung und die Geschäftslage wurde in der jüngsten Umfrage sogar das zweitbeste Ergebnis seit Umfragebeginn erzielt. Nur im Frühjahr 2018, also zu Zeiten der globalen Hochkonjunktur, bewerteten die Unternehmen in Indien die Geschäftssituation noch besser. Exakt drei von vier Unternehmen gehen von weiter steigenden Auftragseingängen aus, lediglich 3 Prozent erwarten in den nächsten drei Monaten rückläufige Orders. „Das erfreuliche Geschäftsumfeld in Indien zeigt sich ebenfalls in den Maschinenexporten aus Deutschland nach Indien. Sie konnten im Zeitraum Januar bis August um mehr als 30 Prozent zulegen. Allerdings verzeichnete Indien vor einem Jahr mit einem Minus von knapp 29 Prozent auch die größten Rückgänge der betrachteten BRIC-Staaten. Bis zum Erreichen des Vorkrisenniveaus ist also noch Luft nach oben“, sagt der VDMA-Chefvolkswirt.

Erwartungen in Brasilien überwiegend positiv

Auch in Brasilien - der wichtigste Absatzmarkt und Produktionsstandort für den Maschinenbau in Lateinamerika - bewertet etwa die Hälfte (52 Prozent) der befragten Tochterunternehmen die Geschäftslage als gut, nur zwei Prozent als schlecht. Ebenfalls rund die Hälfte (48 Prozent) erwarten in den nächsten drei Monaten steigende Auftragseingänge, 17 Prozent hingegen gehen von Auftragseinbußen aus. Das größte Hemmnis für die Geschäftsentwicklung ist auch hier die Knappheit von Rohstoffen und Vorprodukten. Dennoch sind die Erwartungen der Unternehmen überwiegend positiv. Daran ändert auch die politische Unsicherheit, ausgelöst durch die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2022, und die hohe Inflation von geschätzt rund 8 Prozent für das Jahr 2021 wenig. Das zeigt sich unter anderem an der Umsatzschätzung der Mitglieder vor Ort, denn die Mehrheit erwartet für 2022 abermals ein zweistelliges Wachstum.

Der VDMA befragt im halbjährlichen Turnus seine Mitglieder zu den aktuellen Geschäftsentwicklungen in den BRIC-Staaten. Die erste Umfrage erfolgte im Frühjahr 2016. Die jüngste Umfrage mit insgesamt rund 515 Teilnehmern wurde im Zeitraum 18. Oktober bis 3. November 2021 durchgeführt.