Digitale Vernetzung zu mehr Datentransparenz
EAD-Talk mit Jessica Bethune von Schneider Electric über Datenschätze
Montag, 02. September 2024
| Redaktion
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Jessica Bethune von Schneider Electric
Jessica Bethune von Schneider Electric im EAD-Talk-Interview, Bild: EAD-portal.de / Susanne Woggon

Seit 2011 spricht man über die Industrie 4.0, also über die umfassende Digitalisierung der industriellen Produktion. Doch nicht überall sind die Prozesse inzwischen durchdigitalisiert. Wie wichtig Daten sind, um Herstellern zu mehr Effizienz zu verhelfen, verrät Jessica Bethune, Vice President Industrial & Process Automation DACH bei Schneider Electric. Im exklusiven EAD-Talk-Interview gibt sie Einblicke in den Stand der Industrie. Sie berichtet, was ihre Kunden - also Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen - aktuell beschäftigt und wie sich mit wenig Aufwand echte Fortschritte in Sachen Energie- und Produktionseffizienz erzielen lassen.

Frau Bethune, bei all den aktuellen Herausforderungen in der deutschen Industrie - trifft das Thema Nachhaltigkeit, das Schneider Electric sehr wichtig ist, derzeit den Nerv der Kunden?

Am Thema Energieeffizienz lässt sich wunderbar aufzeigen, inwiefern Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit zusammengehören. Wer seine Ressourcen besser nutzen kann, ist auch in der Lage, Betriebskosten zu sparen. Und nur unter diesen Voraussetzungen ist sowas wie eine klimafreundliche und nachhaltige Industrie überhaupt möglich: mehr Nachhaltigkeit muss gleichbedeutend sein mit mehr Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz. Und insbesondere Energieeffizienz-Technologien spielen dabei eine entscheidende Rolle.

An welche Lösungen denken Sie da?

Was sich viele gar nicht klarmachen ist, dass ich den Wirkungsgrad einer Industrieanlage oft schon mit recht einfachen Mitteln verbessern kann. Da braucht es in den meisten Fällen erstmal gar keine großartige Veränderung von Prozessen und Verfahren, sondern es reicht, die existierenden Abläufe einfach etwas besser zu machen. Voraussetzung für Optimierung ist aber immer, dass ich ein gutes Verständnis davon habe, was in meiner Anlage eigentlich los ist, also dass ich zum Beispiel Energiestückkosten ermitteln oder Ineffizienzen identifizieren kann.

Digitalisierung und das Heben von Datenschätzen spielen dabei also eine entscheidende Rolle?

Exakt. Die digitale Vernetzung ist der Schlüssel zu mehr Datentransparenz und zu einer konsolidierten Sichtweise auf Produktionsgeschehen und Energieverbräuche. Nur wenn an den richtigen Stellen meiner Produktion genügend Datenpunkte erfasst und an eine auswertende Softwarelösung übermittelt werden, kann ich auch valide Aussagen dazu treffen, wo Optimierungspotenzial besteht. Manchmal müssen hierfür Messgeräte nachgerüstet werden, aber häufig genügt es auch schon, vorhandene Daten nutzbar zu machen und Silos aufzubrechen. Denn das ist ganz wichtig: Einen echten Mehrwert in Sachen Transparenz bringt mir die Digitalisierung nur dann, wenn Daten auch durchgängig ausgetauscht und zusammengeführt werden können. Erst wenn das gelingt, also wenn sozusagen das „Big Picture“ sichtbar wird, lassen sich die wirklich großen Effizienzpotenziale erkennen.

Klingt logisch, ist angesichts der vielen verschiedenen und nicht-interoperablen Herstellersysteme aber nicht ganz trivial in der Umsetzung, oder?

Stimmt, aber da diese Erkenntnis nicht ganz neu ist, existieren mittlerweile auch schon gute Lösungen für den herstellerunabhängigen Datenaustausch. Denken Sie etwa an OPC UA oder NOA. Wir selbst haben zum Beispiel einen Industrie-PC am Markt, der mit seinen rund 300 Kommunikationstreibern in der Lage ist, Daten aus den unterschiedlichsten Quellen anbieterunabhängig zusammenzuführen und zwischen Steuerungs- und Softwareebene zu kommunizieren. Damit können Sie Datensilos wirklich sehr leicht aufbrechen, und unsere Expertinnen kümmern sich sogar um die Inbetriebnahme.

Klar, wie kompliziert oder einfach sich das dann wirklich umsetzen lässt, ist immer vom Einzelfall abhängig, aber ganz generell gewinne ich manchmal den Eindruck, dass der Aufwand für eine erfolgreiche digitale Transformation falsch eingeschätzt wird. Und allein das hemmt dann schon die Umsetzung. Deshalb möchte ich an dieser Stelle wirklich dafür werben, sich gut beraten zu lassen. Es gibt so viele unterschiedliche, sehr mächtige Technologien und die Entwicklung schreitet rasant voran. Da können Sie als Managerin eines mittelständischen Unternehmens im Tagesgeschäft schlicht und ergreifend nicht mehr den Überblick behalten. Aber mit guter Beratung ist es immer möglich, eine wirklich individuelle Lösung und dann selbst unter schwierigen Bedingungen einen gangbaren Weg für die Transformation zu finden.

Also sprechen wir gar nicht nur über die Entwicklung immer neuerer und leistungsfähigerer Technologien, sondern auch über Befähigung?

Ja, zumindest ist das ein sehr wichtiger Aspekt. Und neben Beratung oder Services geht es da auch um bestimmte Eigenschaften, die moderne Technologien, neben ihrer eigentlichen Funktionalität, heute mitbringen sollten. Für mich sind das zum Beispiel Offenheit, Skalierbarkeit und Nutzerfreundlichkeit. Wenn die Geräte, egal ob Sicherheitskomponente, SPS oder Roboter, solche Eigenschaften mitbringen, wird es den Anwendern deutlich leichter gemacht von ihren Vorteilen zu profitieren. Und ganz ehrlich, da haben wir Hersteller eine gewisse Verantwortung. Bei Schneider Electric setzen wir zum Beispiel auf einen wirklich herstellerunabhängigen Automatisierungsansatz im Sinne der Universalautomation.org. Da hier, anders als bei proprietären Systemen üblich, Hardware und Software voneinander entkoppelt sind, lassen sich deutlich mehr ingenieurstechnische Freiheiten nutzen, IT und OT sind enger verzahnt und Integration und Migration sind erheblich vereinfacht. Die Potenziale von Industrie 4.0-Technologien können so viel besser genutzt werden.

Auch in puncto Flexibilität?

Das ist ein ganz wichtiger Aspekt, gerade, wenn es um Krisenresilienz geht. Da brauche ich Anlagen, die möglichst wandelbar, vielleicht sogar modular aufgebaut sind und nachfragegerecht produzieren können. Das ist in vielen Bereichen der Prozessindustrie schon per se schwierig umzusetzen, wird durch die Existenz proprietärer Systeme aber nochmal deutlich verkompliziert. Wenn sie aber stattdessen den Programmcode von jeder beliebigen Komponente mit genügend Rechenleistung ausführen lassen können und bei der Auswahl von Hardware nicht mehr an einen spezifischen Hersteller gebunden sind, fallen Umrüstungen und Modernisierungen deutlich leichter. Und auch bei unvorhergesehenen Ereignissen können Sie natürlich viel schneller und spontaner reagieren.

Übrigens sind wir auch deshalb so von dem Ansatz der UniversalAutomation.Org überzeugt, weil die Automatisierung damit nicht komplett neu erfunden wird. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Mit der Runtime Execution Engine der UAO existiert eine sofort verfügbare technische Lösung, mit der sich die Abhängigkeiten von Hardware und Software aufbrechen lassen. Alles andere, zum Beispiel nach welcher Norm ich vorgehe, wird durch die Technologie der UAO nicht vorgegeben.

Sie sind seit gut einem Jahr in Ihrer neuen Funktion für das Industriegeschäft in der DACH-Region bei Schneider Electric tätig. Welche Bilanz ziehen Sie?

Meinen Optimismus und die Freude an meinem Beruf habe ich jedenfalls nicht verloren, und das werde ich auch nicht. Aber klar, zur Wahrheit gehört auch, dass die vergangenen Monate herausfordernd waren. Als enger Partner der deutschen Industrie sind wir natürlich ganz nah dran an den aktuellen Sorgen und Nöten und haben mit Hochdruck daran gearbeitet, unsere Lösungen in Richtung der aktuellen Anforderungen zu verfeinern. Grundsätzlich waren und sind wir da aber auch schon exzellent aufgestellt. Vieles von dem, was wir schon seit Jahren gut können,  etwa im Bereich Energieverteilung und -management, aber auch beim Consulting, ist heute so gefragt wie nie. Und genau das stimmt mich auch so zuversichtlich. Denn ich sehe ja bei uns selbst, aber vor allem bei unseren Kunden, dass wir den politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen nicht hilflos ausgeliefert sind. Wenn wir es richtig anstellen, sind wir als Technologieanbieter also wirklich dazu in der Lage, eine große Wirkung auf die Entwicklung unseres Wirtschaftsstandorts auszuüben. Und diesen Auftrag nehmen mein Team und ich nicht nur sehr ernst, sondern ziehen auch viel positive Energie daraus, für eine echte „Impact-Company“ arbeiten zu dürfen.

Gibt es Erkenntnisse, die Sie in Ihrem beruflichen Umfeld gewonnen haben und die Sie auch in Ihr Privatleben mitgenommen haben?

Daten ziehen sich wie ein roter Faden durch meine Karriere. Das zeigt sich bis hin zu meiner Uhr, die alle möglichen Daten auswertet, von der Schlafaufzeichnung über die Bewegung bis hin zur Blutdruckmessung. Das motiviert mich total und spornt mich zu mehr an. Und ich denke, dieser psychologische Effekt wird in der Industrie oft noch stark unterschätzt. Gerade in Deutschland haben wir ja wirklich ein unvergleichliches Reservoir an erstklassig ausgebildeten Fachleuten, die praktisch in jeder Fabrikhalle zu finden sind. Wenn Sie die motivieren, ihre Maschinen und Anlagen mal unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zu optimieren und gleichzeitig datenbasiert nachvollziehbar machen, welchen Effekt das hat, dann lässt sich hier gigantisches Potenzial heben. Wir alle wollen unser Know-how und unsere Fähigkeiten doch für etwas Gutes und Sinnvolles einsetzen. Und mit Daten kann ich das wunderbar sichtbar machen.

Frau Bethune, vielen Dank für das interessante Gespräch!

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