Digitale Unterstützung für die Herstellung von Betonfertigteilen

Planbasierte Tätigkeiten auf einfache, sichere Weise Schritt für Schritt auszuführen

Die Technologieplattform „Chekker“ ist ein digitales System zur einfacheren und effektiveren Produktion von Betonfertigteilen

Die Betonfertigteilbranche zählt sicher nicht zu den naheliegendsten Einsatzfeldern, die man mit der Bildverarbeitung in Verbindung bringt. Dennoch gibt es auch dort interessante Lösungen auf Basis der Machine Vision-Technologie, wie Beamionic mit der Technologieplattform zur Digitalisierung von manuellen Fertigungsarbeitsplätzen „Chekker“ beweist. Grundlage des Systems sind Bildverarbeitungskomponenten von Rauscher Bildverarbeitung.

Wie in den meisten Branchen herrscht auch im Bereich der Herstellung von Betonfertigteilen für Gebäude großer Fachkräftemangel sowie ein erheblicher Qualitäts- und Kostendruck. Zudem nimmt die Komplexität von Betonfertigteilen immer weiter zu, was die Unternehmen in diesem Umfeld vor anspruchsvolle Herausforderungen stellt. Digitale Lösungsansätze können hier Abhilfe schaffen, müssen aber besondere Voraussetzungen erfüllen: Verfügbare Plandaten aus CAD-Systemen müssen für die Mitarbeiter in Fertigteilwerken einfach und leicht verständlich interpretierbar sein. In den manuellen und oft papierbasierten Arbeitsprozessen der Branche liegt der Digitalisierungsgrad traditionell jedoch noch auf einem relativ niedrigen Niveau.

Das österreichische Unternehmen Beamionic möchte diese Situation mit der Technologieplattform „Chekker“ nachhaltig verändern. „Erstmals erhalten Werker damit eine digitale Lösung zur Unterstützung bei handwerklichen, komplexen Tätigkeiten in einem Betonfertigteilwerk“, erläutert Hubert Fritschi, einer der Geschäftsführer des Grazer Unternehmens. „Das System besteht aus Hardwarekomponenten wie einem Hochleistungsprojektor, Industriekameras, diverser Sensorik und einem Industrie-PC. In Symbiose mit dieser Hardware sorgt eine spezielle Software dafür, dass alle erforderlichen Funktionalitäten ausgeführt werden.“

Sichere Ausführung durch 1:1-Projektion von Betonfertigteilen

Eine der Hauptfunktionen des Systems besteht darin, Daten aus den CAD-Plänen wie beispielsweise Angaben zur Bewehrung im Maßstab 1:1 auf die Produktionsfläche zu projizieren. Dabei werden die Planinhalte so zur Verfügung gestellt, dass nur die für die entsprechenden Arbeitsschritte gerade benötigten Informationen erscheinen. „Diese Vorgehensweise ermöglicht es den Mitarbeitern, planbasierte Tätigkeiten auf einfache und sichere Weise Schritt für Schritt auszuführen“, so Fritschi.

Ob die durchgeführten Arbeitsschritte zur Herstellung von Betonfertigteilen richtig und plangemäß erfolgt sind, überprüft das System mit Hilfe von zwei integrierten Industriekameras. Sie nehmen fortlaufend Bilder der Produktionsfläche auf, die anschließend von einer speziellen Bildverarbeitungssoftware ausgewertet werden. Erkennt das System dabei Abweichungen von den vorgegebenen Plänen, so werden die Mitarbeiter umgehend über ein visuelles Signal darauf hingewiesen und können den fehlerhaften Arbeitsschritt korrigieren. Erst wenn die entsprechenden Korrekturen gemäß den Plänen umgesetzt sind, erfolgt die Freigabe für den nächsten Produktionsschritt. Klarer Vorteil dieser Vorgehensweise: Sämtliche Abweichungen werden den Werkern direkt rückgemeldet und können sofort in Ordnung gebracht werden, fehlerhafte Betonfertigteile lassen sich somit ausschließen.

Beamionic hat sich als Partner für die eingesetzten Bildverarbeitungskomponenten für Rauscher Bildverarbeitung in Olching entschieden, erzählt Dr. Bernhard Reitinger, technischer Geschäftsführer von Beamionic: „Rauscher wurde uns von einem Kontakt empfohlen, der mit dem Unternehmen bereits positive Erfahrungen gemacht hatte. Wir haben uns seit Beginn des Projekts im Jahr 2020 verstärkt mit dem Thema Bildverarbeitung befasst und Rauscher zu diesem Zeitpunkt kontaktiert, um gemeinsam einen Lösungsansatz für unsere Idee zu entwickeln. Mit ihrer produktiven und lösungsorientierten Vorgehensweise haben uns die Spezialisten von Rauscher insbesondere bei der Auswahl der geeigneten Kameras und der passenden Objektive sehr schnell und kompetent geholfen und alle Bildverarbeitungs-basierten Fragen des Projekts beantwortet. Diese Unterstützung war für uns sehr wertvoll, um den ,Chekker‘ zu einem marktreifen Produkt zu machen.“

Kernkomponenten der Entwicklung sind zwei „Ace2-Farbkameras“ von Basler, die mit ihren Sony-Sensoren der neuesten Pregius S-Generation mit 16 Megapixeln Auflösung und darauf perfekt abgestimmten Objektiven von Basler für die Aufnahme qualitativ hochwertiger Bilder sorgen. Für die Bildakquise kommt mit der Software ,Pylon‘ zudem ein weiteres Basler-Produkt zum Einsatz. „Für diese Anwendung waren Kameras mit mehr als zwölf Megapixel Auflösung erforderlich“, erinnert sich Rauscher-Sales Manager Andreas Huber. „Wir hatten zunächst diverse andere Kameras getestet, uns dann aber aufgrund des neueren Sensors und der höheren Auflösung für diese ,Ace2-Modelle‘ entschieden, die in Kombination mit den geeigneten Objektiven die gewünschten Ergebnisse lieferten. Aus Kundensicht war außerdem das sehr attraktive Preis-Leistungsverhältnis dieser Komponentenauswahl ein entscheidendes Kriterium.“

Automatisierte Erfassung von Zeitdaten während der Produktionsprozesse

Die reine Qualitätskontrolle der ausgeführten Arbeiten ist nicht der einzige positive Aspekt der Systeme, betont Dr. Reitinger: „Der Einsatz dieses Produkts ermöglich darüber hinaus die automatisierte Erfassung von Zeitdaten während der Produktionsprozesse. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, gegebenenfalls mit Hilfe von künstlicher Intelligenz, eine fundierte Datengrundlage für zukünftige Prozessoptimierungen zu schaffen. Darüber hinaus stellen Funktionalitäten wie eine polychrome Flächenprojektion und die Möglichkeit der realitätsgetreuen Abbildung von Einbauteilen sicher, bei den durchzuführenden Tätigkeiten die bestmögliche Sicherheit zu gewährleisten.“

Augmented Reality erlaubt 3D-Visualisierung zukünftiger Bauteile

Noch einen Schritt weiter geht Beamionic mit dem Einsatz von Augmented Reality: Diese Technologie erlaubt eine optionale 3D-Visualisierung zukünftiger Bauteile auf einem Tablet oder mobilen Endgerät. Hologramme von Betonfertigteilen werden dabei als 3D-Modelle direkt mit der Realität überlagert. „So können die zusammengefügten Betonfertigteile räumlich dargestellt und von allen Seiten betrachtet werden“, erläutert Dr. Reitinger. „Das hilft Mitarbeitern und Kunden dabei, das räumliche Verständnis zu verbessern und eine präzise Vorstellung vom Endprodukt zu erhalten.“ Die bis dato erforderliche, mühevolle und fehleranfällige Übertragung der benötigten Informationen von Papierplänen auf den Werktisch entfällt somit und vereinfacht das Verständnis der ansonsten komplexen Pläne erheblich. Auch die Erstellung und Freigabe verifizierter Alternativvorschläge, z.B. für Einbauprodukte oder -teile innerhalb einer Produktfamilie, wird auf diesem Weg erheblich intuitiver.

Digitale Zwillinge

Aufgrund ihrer Funktionen und der integrierten Bildverarbeitung ermöglicht die Plattform eine zuverlässige und wirtschaftliche Qualitätsprüfung von produzierten Betonfertigteilen. Da diese Produkte als digitaler Zwilling vorliegen, können sie im Rahmen des gesamten BIM-Lebenszyklus zudem sehr einfach dem Datenmodell von Gesamtgebäuden hinzugefügt werden. „Das so genannte Building Information Modeling (kurz BIM) oder auf Deutsch: die Gebäudedatenmodellierung, ist ein Planungs- und Steuerungskonzept, durch das der gesamte Lebenszyklus von Gebäuden mit virtuellen, digitalen Gebäudeinformationen abgewickelt werden kann“, erklärt Fritschi. „Die damit einhergehenden Möglichkeiten machen manuelle Arbeitsplätze in einem Betonfertigteilwerk effizienter und die zunehmende Komplexität mit vorhandenem Personal beherrschbar. Unser ,Chekker‘ stellt in diesem Zusammenhang eine optimale Ergänzung dar, um eine Antwort auf den Fachkräftemangel zu finden und zugleich die Digitalisierung der Branche zu beflügeln. Die Bildverarbeitungstechnologie unseres Partners Rauscher hat dabei wesentlichen Anteil daran, die Qualitätskontrolle der Betonfertigteile automatisch, schnell und zuverlässig durchzuführen und der Branche so zu mehr Effizienz zu verhelfen. Papierpläne an den Arbeitsplätzen gehören damit der Vergangenheit an.“ Erste Kunden in Deutschland, Österreich, Benelux und Italien setzen das System, das in diesem Jahr offiziell in den Markt eingeführt werden soll, laut Fritschi bereits erfolgreich ein.

Autor: Peter Stiefenhöfer, PS Marcom Services für Rauscher